Über den Energieanbieter Primastrom finden sich in Bewertungsportalen und bei Verbraucherzentralen zahlreiche kritische Stimmen. Verbraucherzentralen berichten seit Längerem von anhaltenden Beschwerden.
Unangekündigte Telefonwerbung, unklar kommunizierte Preiserhöhungen oder nicht klar ausgewiesenes Sonderkündigungsrecht. Dies sind nur einige Punkte, mit denen Primastrom-Kunden laut Bewertungen zu kämpfen haben.
Doch die Verbraucherzentralen lassen Sie nicht allein.
Die Bundesnetzagentur hatte bereits in der Vergangenheit (2022) ein Aufsichtsverfahren gegenüber Primastrom eingeleitet und der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) Klage eingereicht. Auch aktuell läuft ein Verfahren der Verbraucherzentrale Niedersachsen gegen das Unternehmen.
Wie Sie sich im Schadensfall wehren können und wie die Verbraucherzentralen Sie dabei unterstützen, erfahren Sie hier.
Das Wichtigste zu den Vorwürfen gegen Primastrom in Kürze
Primastrom gehört zusammen mit Voxenergie (ein ebenfalls von Verbraucherzentralen und der Bundesnetzagentur angezählter Energieversorger) zur Muttergesellschaft Primaholding. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Berlin und gilt als umstrittener Komplettanbieter für Gas, Strom, Mobilfunk und DSL.
Primastrom wirbt mit fairen Preisen sowie einem zuvorkommendem Kundenservice. Dennoch berichten einige Kunden das Gegenteil und in einigen Fällen sogar von Geschäftspraktiken, die sie für rechtswidrig erachten.
So seien aktuell unerlaubte Werbeanrufe oder Haustürbesuche in der Vergangenheit vorgekommen, bei denen nach Angaben einiger Kunden Verträge ohne ihr eindeutiges Einverständnis zustande gekommen sein sollen. Inwiefern Primastrom dafür verantwortlich gemacht werden konnte, schauen wir uns genauer an.
So manche Kundenrezensionen zeichnen ein Bild, das bei Verbrauchern Zweifel an der Seriosität des Anbieters weckt. Kunden sprechen davon, dass es in der Vergangenheit zu versteckten oder kurzfristigen Preiserhöhungen kam oder Probleme bei der Kündigung gab.
Aktuell warnen die Verbraucherzentralen insbesondere vor fragwürdigen Briefen, die zu Telefonaten aus Werbezwecken auffordern.
Hier finden Sie einen ausführlichen Testbericht über Primastrom inkl. Kunden-Bewertungen: Primastrom Bewertungen und Test
Wenn man Kundenerfahrungen und veröffentlichte Berichte der Verbraucherzentralen im Internet durchforstet, stößt man auf Vorgehensweisen, die nicht nur hinterfragt, sondern zum Teil auch per Gerichtet beurteilt werden mussten.
In Kundenrezensionen ist zu lesen von:
Wenn ein Energieversorger seine Preise erhöht, dann ist das prinzipiell erstmal erlaubt. Wichtig ist jedoch, dass sich dabei an die vertraglich festgelegten Preisgarantien gehalten wird.
Außerdem muss eine gewisse Frist beachtet werden, in der Kunden die Möglichkeit haben, den Strom- oder Gasvertrag durch Inanspruchnahme des Sonderkündigungsrechts aufzulösen. Auch ist eine gewisse Zeitspanne nötig, damit sich der Verbraucher nach einem neuen Vertrag umsehen kann.
Die gesetzliche Frist bei Preiserhöhungen von Energielieferverträgen: 1 Monat im Voraus.
Sonderkündigungsrecht zusammengefasst
„Durch das Sonderkündigungsrecht / außerordentliches Kündigungsrecht können Sie laufende Verträge vorzeitig kündigen.” (Bundesnetzagentur)
Wo es steht: entweder in den AGBs des Vertrags oder im Gesetz
Beispiele für ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht: Preiserhöhung, einseitige Änderungen der Vertragsbedingungen, Umzug
Wichtig: Eine ordentliche Kündigung ist auch ohne Bestätigung des Energielieferanten wirksam.
Mehr Informationen zu Ihrem Kündigungsrecht finden Sie hier. Und hier gibt es eine kostenlose Kündigungsvorlage.
Laut einer Pressemitteilung vom 27. Januar 2022 der Verbraucherzentrale Hamburg lag beispielsweise ein Schreiben von Primastrom vor, in dem am 28. Dezember 2021 über eine Preiserhöhung informiert wurde. Die Preise sollten jedoch bereits zum 01. Januar 2022 anziehen.
Andere Kunden berichten von Schock-Momenten bei der Jahresabrechnung. Erst nach mühseligem Durchforsten vergangener Mitteilungen von Primastrom hat man Hinweise auf eine Preiserhöhung auf einem scheinbar nebensächlichen Zettel gefunden.
Klare Kommunikation und Fristeinhaltung sieht anders aus.
Beschwerden dieser Art häufen sich schon seit Jahren. Kündigungen und Widerrufs-Erklärungen der betroffenen Kunden blieben in der Vergangenheit ihren Aussagen nach zunächst unbeachtet (siehe Verbraucherzentrale Bayern).
Einzelne Abnehmer berichteten von Schwierigkeiten, den Kundenservice telefonisch zu erreichen, und empfanden dies als unzureichend.
Vermehrte Kundenbeschwerden führten letztlich dazu, dass die Verbraucherzentralen im Oktober 2022 rechtliche Schritte (Musterfeststellungsklage) gegen Primastrom einleiteten.
Musterfeststellungsklage:
„Im Musterfeststellungsverfahren können alle Sach- und Rechtsfragen geprüft und geklärt werden, von denen die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von mindestens 50 Verbraucherinnen und Verbrauchern abhängen können.
Der Verbraucherverband und das Unternehmen können einen (Prozess-)Vergleich zugunsten der angemeldeten Verbraucherinnen und Verbraucher schließen und das Verfahren dadurch beenden.“
(Quelle: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz)
Das Verfahren endete mit einer Klagerücknahme.
Aus dem Protokoll der Verhandlung vom 23. November 2023 ergibt sich, dass das Kammergericht zwar noch kein Urteil gefällt hatte, Preiserhöhungen nach § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) aber grundsätzlich für möglich hielt. Die weltpolitische Situation der damaligen Zeit könnte eine solche Situation darstellen.
Weil es sich um eine Musterfeststellungsklage handelte, die nur einheitlich feststellbare Fragen klären darf, wäre für die Beurteilung jeder Preiserhöhung eine individuelle Prüfung der einzelnen Verträge nötig gewesen. Eine pauschale Feststellung, dass alle Preiserhöhungen unzulässig waren, kam deshalb nicht infrage.
Hinweis: Nähere Infos zum Verfahren können Sie auf den Seiten des Bundesamtes für Justiz einsehen.
Der vzbv und Primastrom einigten sich dennoch nach Klagerücknahme im Sommer 2024 auf einen außergerichtlichen Vergleich. Primastrom verpflichtete sich darin, die ab 2021 vorgenommenen Strom- und Gaspreiserhöhungen rückwirkend zurückzunehmen und den rund 1.600 Teilnehmern der Musterfeststellungsklage teils sehr hohe Beträge zu erstatten.
Achtung:
Die im Vergleich vorgesehene Frist zur Geltendmachung solcher Ansprüche endete jedoch am 31. Dezember 2024, sodass sich Kunden heute nicht mehr auf den Vergleich berufen können.
Eine weitere Herangehensweise von Primastrom sind unerlaubte Telefonate zu Werbezwecken, wie Kundenerfahrungen berichten. Das sagt die Verbraucherzentrale dazu:
„Unerwünschte Werbeanrufe und untergeschobene Verträge sind unzulässig. “
So schützen Sie sich grundsätzlich bei einem unerlaubten Werbeanruf
Einzelne Kunden berichten davon, dass die Primastrom GmbH Kunden zu Werbezwecken anrufe, ohne deren vorherige Zustimmung.
Primastrom sagt dazu, dass sie ausschließlich Personen anrufen, die im Vorfeld eine Werbeeinwilligung erteilt haben. Laut Primastrom erklären betreffende Kunden außerdem, dass ihnen das Unternehmen bekannt ist. Darüber hinaus fertigt Primastrom nach eigenen Aussagen Mitschnitte der Telefonate an.
Einige Verbraucher berichten in Bewertungsportalen außerdem von Briefen mit der dringenden Bitte um Rückruf, obwohl gar kein Vertragsverhältnis besteht.
Die Verbraucherzentrale Niedersachsen wirft der Primastrom GmbH aktuell vor, das Verbot unerlaubter Telefonwerbung zu umgehen. Nach ihrer Darstellung erhielten zahlreiche Verbraucher Briefe mit dem Betreff „Es geht um Ihre Stromversorgung. Ihre Mithilfe ist erforderlich“. Als Nachweis wird ein solches Schreiben von der Verbraucherzentrale Niedersachsen veröffentlicht.
Darin wurden sie unter Angabe einer vermeintlichen Identifikationsnummer aufgefordert, eine angegebene Telefonnummer anzurufen – ein Vorgehen, das aus Sicht der Verbraucherzentrale den Eindruck erweckt, es handele sich bereits um bestehende Vertragsbeziehungen.
Da Telefonwerbung ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung gesetzlich verboten ist, wertet die Verbraucherzentrale diese Briefe als rechtswidrig. Sie mahnte Primastrom deshalb am 27. Februar 2024 ab und forderte eine Unterlassungserklärung, die jedoch nicht erteilt wurde.
In der Folge reichte die Verbraucherzentrale am 16. Juli 2024 beim Landgericht Berlin II Klage ein, um das Vorgehen gerichtlich untersagen zu lassen. Nach Auskunft der Verbraucherzentrale wird der Prozess einige Zeit in Anspruch nehmen; ein erster Verhandlungstermin ist für Januar 2026 angesetzt.
Hinweis:
Die Verbraucherzentrale berichtet, dass weiterhin Beschwerden über solche Schreiben eingehen. Sie rät Betroffenen, keinesfalls auf die Rückrufbitte einzugehen, sondern Primastrom schriftlich aufzufordern, die eigenen Kontaktdaten zu löschen und weitere Kontaktaufnahmen zu unterlassen.
In der Vergangenheit wurde in Kundenrezensionen berichtet, Primastrom-Vertreter hätten sich als angebliche Mitarbeiter fremder Anbieter (z. B. Vodafone) ausgegeben, mit dem Ziel, Kunden zu täuschen und Verträge abzuschließen. Dies soll sowohl an der Haustür als auch per Telefon versucht worden sein.
In einer Stellungnahme uns gegenüber sagte Primastrom, die beanstandeten Vorgänge seien auf einen externen, von Primastrom beauftragten Vertriebspartner zurückzuführen. Primastrom hätte nach eigenen Angaben bis zur Aufklärung keine Kenntnis von etwaigen Vorgängen, die Kunden als täuschend oder irreführend empfanden. Nach Kenntniserlangung sei die Zusammenarbeit mit dem Vertriebspartner beendet und betroffene Verträge rückabgewickelt worden.
Hinweis: Unterschreiben oder bestätigen Sie niemals Verträge, die Ihnen unerwartet an der Haustür oder am Telefon angeboten werden. Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Melden Sie sich bei solchen Vorfallen direkt an die Verbraucherzentrale, die Bundesnetzagentur oder direkt an die Polizei.
Wie man sich wehren kann, haben Bundesnetzagentur und die Verbraucherzentrale für Sie zusammengefasst.
Grundsätzlich gilt:
Praxis-Tipp: Wenn nach etwa zwei Wochen keine Bestätigung vorliegt, empfiehlt es sich, schriftlich nachzufassen und den Zugang der ursprünglichen Kündigung zu belegen.
Hinweis:
Wenn Sie bereits einen Widerruf oder eine Kündigung gegenüber Primastrom erklärt haben, konnten Sie sich in der Vergangenheit einfach auf den Vergleich berufen. Die Frist endete am 31. Dezember 2024.
Nachdem der Energielieferant Ihre Kündigung erhalten hat, muss er sie Ihnen innerhalb einer Woche in Textform bestätigen.
In der Bestätigung muss der Lieferant das genaue Ende des Vertrags nennen (§ 41b Abs. 1 S. 2 EnWG).
Eine ordentliche Kündigung ist auch ohne die Bestätigung der Kündigung vom Energielieferanten wirksam.
Bei Energielieferverträgen beginnt die Widerrufsfrist mit Abschluss des Vertrages (§ 356 Abs. 2 Nr.2 BGB).
Verbraucher haben unter bestimmten Bedingungen ein 14-tägiges Widerrufsrecht (§ 355 BGB).
Die Bedingung hierfür ist bei sogenannten Fernabsatzverträgen (ehemals „Haustürgeschäften“) erfüllt.
Der Vertragspartner muss Verbraucher ausdrücklich über das Widerrufsrecht informieren. Bei schriftlichen Verträgen muss die Widerrufsbelehrung im Vertragstext enthalten sein.
Ist das nicht der Fall, verlängert dieses Versäumnis Ihre Widerrufsmöglichkeit.
Der Widerruf sollte in Textform erfolgen.
Ziel der Verbraucherzentralen ist es, die Verbraucher zu schützen und zu stärken. Die Zahl der unzufriedenen Primastrom-Kunden bleibt hoch, weshalb der Energielieferant bereits mehrfach im Fokus der Verbraucherzentralen war.
Die frühere Musterfeststellungsklage des vzbv wegen einseitiger Preiserhöhungen wurde zwar 2023 zurückgenommen, im Sommer 2024 einigte sich der vzbv jedoch außergerichtlich mit Primastrom: Das Unternehmen nahm rückwirkend Preiserhöhungen ab 2021 zurück und erstattete den rund 1.600 Teilnehmern der Klage teils hohe Beträge.
Aktuell läuft ein weiteres Verfahren: Die Verbraucherzentrale Niedersachsen hat am 16. Juli 2024 beim Landgericht Berlin II Klage gegen Primastrom eingereicht. Hintergrund sind Werbebriefe, mit denen Kunden zu Rückrufen bewegt werden sollten. Aus Sicht der Verbraucherzentrale ein Versuch, das Verbot unerlaubter Telefonwerbung zu umgehen. Ein erster Verhandlungstermin ist für Januar 2026 angesetzt.
Betroffene Kunden können sich weiterhin an ihre örtliche Verbraucherzentrale wenden, um unzulässige Werbeschreiben abzuwehren, Preiserhöhungen prüfen zu lassen oder Hilfe bei der Durchsetzung eigener Ansprüche zu erhalten.
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