Balkonkraftwerke bis 600 Watt galten lange als die Obergrenze für die vereinfachte private Stromerzeugung. Das soll sich aber bald in Deutschland ändern.
Wie die Gesetzeslage aktuell aussieht, wann die neue Regelung in Kraft tritt und was Ihnen 800 Watt oder mehr wirklich bringen, erfahren Sie in diesem Artikel.
Seit der Einführung von Balkonkraftwerken ist die private Erzeugung von Solarstrom kinderleicht. Für die Montage braucht man weder einen Elektriker noch die Erlaubnis des Vermieters. Allerdings ist die Einspeiseleistung des Wechselrichters auf 600 Watt begrenzt.
Wichtig: Das bedeutet allerdings nicht, dass der Betrieb größerer Anlagen verboten ist! Sie fallen nur nicht mehr unter die vereinfachte Anmelderegelung von Balkonkraftwerken. Dadurch sind sie mit etwas mehr Bürokratie und somit höheren Kosten verbunden.
Die Einschränkung in Deutschland basiert auf der Anwendungsregel AR-N 4105-2018:11 des Verbands Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE). Untersuchungen des PI Photovoltaik-Instituts Berlin zufolge führen Steckersolaranlagen bis zu einer Leistung von 600 Watt nämlich nicht zu einer Überlastung der Stromleitungen.
Das Gesetz sieht in Deutschland aktuell vor, dass alle Anlagen mit mehr als 600 Watt Nennleistung durch einen Elektriker durchgeführt und beim Netzbetreiber angemeldet werden müssen.
In anderen Ländern, wie Österreich oder Luxemburg beispielsweise, ist das anders. Hier liegt die Grenze bei 800 Watt, welche sich an der EU-Richtlinie 2016/613 orientiert. Diese Bestimmung besagt, dass (Strom-)Erzeugungsanlagen bis 800 Watt als nicht relevant für das Stromnetz gelten und deshalb nicht meldepflichtig seien.
Im Kampf gegen den Klimaschutz und im Zuge des anhaltenden PV-Trends entflammt die 600-Watt-Debatte immer wieder. Die Frage, der Grenzerhöhung in Deutschland bezieht sich mittlerweile nicht mehr darauf, ob, sondern wann sie stattfinden wird.
Wie bereits erwähnt ist aktuell auch der Betrieb einer Steckersolaranlage mit 800 oder 900 Watt legal. Dafür müssen diese jedoch unbedingt im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur sowie beim Netzbetreiber angemeldet sein. Das übernimmt direkt Ihr Elektroinstallateur für Sie.
In den meisten Fällen bestehen diese Mini-PV-Anlagen aus einer Kopplung mehrerer, kleinerer Module. Besonders beliebt ist die Verbindung von zwei 400 Watt oder 450 Watt Paneelen.
Hinweis: In der Praxis hakt der Netzbetreiber nicht bei Ihnen nach, ob Sie eine Mini-PV-Anlage unangemeldet betreiben. Denn der Stromertrag ist hier vergleichsweise gering. Somit kommt es bei unangemeldeten Balkonkraftwerken in der Praxis meistens nicht zu Strafen.
Warum Mini-PV-Anlagen trotzdem angemeldet werden sollten und welche Konsequenzen und Strafen bei einer Nichtanmeldung theoretisch folgen könnten, lesen Sie hier.
Wichtig ist allenfalls unbedingt die Beachtung der Installationsvorschrift! Hierfür ist die Montage durch einen zertifizierten Fachbetrieb vorgeschrieben. Im Ernstfall haften sonst Sie und Ihre Garantie erlischt.
Sie können ein Balkonkraftwerk mit einer Leistung von 1.200 Watt nur dann anbringen, wenn es wie eine Photovoltaikanlage auf dem Dach oder an der Fassade angebracht wird. Bei dieser Größe fällt es dann allerdings aus der Kategorie „Balkonkraftwerk“ heraus.
Der Grund dafür ist der erwartete Überschuss an produziertem Solarstrom. In diesem Fall sind neben der Anmeldung auch technische Zusatzinstallationen wie spezielle Stromzähler, ggf. Speichersysteme und Verteiler erforderlich. Die Gesamtleistung von 1.200 Watt reicht nämlich aus, um mehrere Wohnräume mit Strom zu versorgen.
Zudem gilt es, besondere Genehmigungen bei der Montage auf Mietbalkonen zu beachten. Hierzu sind Sie verpflichtet, sich mit der Wohnungseigentümergemeinschaft abzustimmen. Dabei können jedoch keine Verbote für einzelne Mieteigentümer ausgesprochen werden.
Die Anhebung der Bagatellgrenze auf 800 Watt kommt. Namhafte Akteure wie der VDE, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und das Umweltbundesamt haben sich bereits mehrfach für eine Anpassung der bestehenden Regelung ausgesprochen.
So erwähnt beispielsweise das Bundeswirtschaftsministerium die 800-Watt-Grenze explizit in der am 10. März 2023 veröffentlichten Photovoltaik-Strategie. In diesem Zuge soll sie auch in die Produktnorm mitaufgenommen werden, an deren Ausarbeitung unter anderem der VDE beteiligt ist. Eine Kommentierungsphase endete am 24. März 2023. Für Anfang Mai 2023 wurde vom Bundeswirtschaftsministerium ein Gipfeltreffen zur Präsentation der finalen PV-Strategie angekündigt.
Verbraucherschützer schätzen jedoch, dass es noch einige Monate dauern könnte, bis die Änderungen, einschließlich der 800-Watt-Grenze, wirklich in Kraft treten. Viele Solarinstallateure und Fachbetriebe rechnen erst Ende 2023 mit einer Umsetzung.
Unser Tipp: Planen Sie eine mögliche Anhebung der Grenze durch eine optimale Anlagenplanung schon jetzt ein – wie das geht? Ganz einfach: Mit einem Upgrade-fähigem Wechselrichter. Dafür werden leistungsstärkere Wechselrichter aktuell noch auf die 600W-Grenze gedrosselt. Nach der Gesetzesänderung kann die Drosselung dann ganz einfach auf 800 Watt angehoben werden. Ob sich das auch für Sie lohnt, erfahren Sie weiter unten.
Neben einer Erhöhung der Bagatellgrenze auf 800 Watt plant das Umweltministerium außerdem eine Lockerung der strengen Anmeldevorschriften. So soll die Anmeldung beim Netzbetreiber zukünftig vielleicht ganz entfallen (bis 800 Watt). Dann wäre nur noch die Registrierung im Marktstammdatenregister notwendig.
Des Weiteren soll der Schuko-Stecker bis 800 Watt geduldet werden. Der VDE hat sich bislang vehement für einen Anschluss per Wieland-Stecker ausgesprochen. Es ist zwar prinzipiell beides möglich, doch gerade dieses Thema hat unter Anlagebetreibern und Elektroinstallateuren häufig zu hitzigen Debatten und Unsicherheiten geführt.
Zu guter Letzt diskutiert man über eine Abschaffung des Stromzählers mit Rücklaufsperre. Im Moment wird nicht verbrauchter Strom aus Balkonkraftwerken unvergütet eingespeist und buchstäblich an die Nachbarn verschenkt.
Sollte dies geändert werden, könnten Haushalte durch Ihre Einspeisung zukünftig eine Rückwärtsdrehung des Stromzählers bewirken. Somit würde der eingespeiste Strom also effektiv „gutgeschrieben“ werden und nicht unvergütet im Netz verschwinden.
Bevor Sie sich für eine leistungsstärkere Anlage entscheiden, klären wir zunächst die Frage der Wirtschaftlichkeit. Denn nur wenn sich das Ganze am Ende für Sie rechnet, spielen die neuen Energiegesetze für Sie überhaupt eine Rolle.
Denn, vergessen Sie nicht, dass leistungsstärkere Module und Wechselrichter mit einem höheren Anschaffungspreis verbunden sind!
In bestimmten Situationen kann die Anschaffung von leistungsstärkeren Modulen dennoch sinnvoll sein. Nachfolgend sehen Sie die wichtigsten Kriterien:
Achtung: Wir empfehlen die Anschaffung einer größeren Anlage nur dann, wenn Sie einen entsprechend hohen Eigenverbrauch aufweisen. Denn überschüssiger Strom von Balkonkraftwerken fließt ohne Vergütung ins öffentliche Stromnetz und Stromspeicher werden bei kleinen Anlagegrößen häufig nicht eingesetzt.
Ob sich ein Stromspeicher für Ihr Balkonkraftwerk im Einzelfall vielleicht doch lohnt, können Sie hier nachlesen.
Tipp: Hier finden Sie eine komplette Auflistung aller Förderungen für Balkonkraftwerke in Deutschland.
In den meisten Fällen ist eine Erweiterung einer Mini-Solaranlage nicht möglich. Denn handelsübliche 800-Watt-Wechselrichter verfügen nur über zwei Anschlüsse für den Eingangsstrom der Solarpaneele. Folglich können Sie nicht einfach so ein drittes Modul anhängen.
Hierfür benötigen Sie ein Set mit einem noch leistungsstärkeren Wechselrichter, wofür Sie dann auch Hilfe bei der Installation und Anmeldung durch einen Fachbetrieb benötigen.
Ein Einzelfällen ist die Erweiterung aber doch möglich. Hier werden zusätzliche Module einfach zusammen mit einem weiteren Wechselrichter installiert.
Tipp: Sie sehen an dieser Stelle, wie wichtig eine umfangreiche Planung bei Balkonkraftwerken ist. Denn nur wenn dieses optimal auf Ihre individuelle Lebenssituation abgestimmt ist, arbeitet es auch wirklich wirtschaftlich.
Auf Ihrem Balkon thront bereits eine hart arbeitende Mini-PV-Anlage? Und nun stellt sich die Frage, ob diese ausgetauscht werden soll? Dann haben Sie gegenüber angehenden PV-Anlagen-Besitzern einen großen Vorteil: Sie können ganz genau nachvollziehen, wie viel Solarstrom sie tatsächlich erzeugen.
Um das zu ermitteln, verwenden Sie einfach ein geeignetes Messgerät wie beispielsweise ein Energiekostenmessgerät, eine intelligente Steckdose oder einen WLAN-fähigen Wechselrichter. Wenn die Leistung Ihres Balkonkraftwerks regelmäßig an die 600-Watt-Grenze heranreicht, könnte sich ein Umstieg auf einen Wechselrichter mit 800 Watt auszahlen. Andernfalls lohnt sich der Wechsel meistens nicht.
Beachten Sie bei Ihrer Überlegung allerdings die aktuelle Regelung zu Stromzählern mit Rücklaufsperre. Durch den Sonnenstand wird der meiste Solarstrom dann erzeugt, wenn man nicht zuhause ist. Überschüssiger Strom wird also an den Netzbetreiber verschenkt, wenn kein Batteriespeicher vorhanden ist.
Laut Überarbeitung der PV-Strategie und der Ankündigung von Robert Habeck kann sich das jedoch auch bald ändern. Der Betrieb von Balkonkraftwerken mit analogen Stromzählern ohne Rücklaufsperre soll in Kürze erlaubt werden.
In Deutschland wird eine Anhebung der Bagatellgrenze von 600 auf 800 Watt weiterhin diskutiert. Wichtig für Sie ist, dass bis jetzt nichts entschieden ist. Wer sich also eine neues Balkonkraftwerk anschaffen möchte, sollte das in der Planung berücksichtigen.
Größere Anlagen können dann sinnvoll sein, wenn ausreichen Platz und ein hoher Stromeigenbedarf vorhanden sind. Allerdings sind dabei höhere Anschaffungskosten und ein zusätzlicher bürokratischer Aufwand zu berücksichtigen. Wir empfehlen eine individuelle Planung und Beratung durch einen Fachbetrieb.
Grundsätzlich ist auch jetzt der Betrieb von 800, 900 oder 1.200 Watt Balkonkraftwerken möglich. Hier gilt es jedoch, unbedingt die Anschlussrichtlinien zu beachten.